Dienstag, 18. Juni 2013

Konfliktfotografie im Spannungsfeld neuer und alter Medien

Gestern ging in Berlin die Professional Week des Berliner Fotofestival „The Browse“ zu Ende. In diesem Rahmen gab es ein gutes Dutzend Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen zu so unterschiedlichen Themen wie die Zukunft mobiler Fotografie, den Fotojournalismus in der Türkei, den World Press Photo Award und die Situation lokaler Medienaktivisten in Syrien. Darüber hinaus fanden parallel mehrere Workshops statt. Nach der am Wochenende veröffentlichten Ausstellungskritik soll an dieser Stelle auf einige der Veranstaltungen, die der Thematik des Blogs nahekommen, detaillierter eingegangen werden.

Die Herausforderungen für das Nachrichtenbusiness angesichts neuer Medien und einer zunehmenden Bilderflut standen im Fokus einer Diskussion am Freitag Nachmittag. Moderiert von Luz Fischmann (Freelens) war mit Vertretern von dpa und AFP auf dem Podium zum einen die Seite der Agenturen und mit Bildredakteuren von FAZ und Der Spiegel zum anderen die Seite der Abnehmer von Nachrichtenbildern präsent. Deutlich wurde in der Diskussion der Wandel des Geschäfts mit Nachrichtenbildern, der sich schon alleine in der quantitativen Zunahme von Bildern zeigt. Damit verbunden ist jedoch auch ein qualitativer Wandel in der Bildredaktion. So wird die Bildersuche heute vor allem über Datenabfragen mit Hilfe von Schlagwörtern vorgenommen. Christian Pohlert (FAZ) merkte an, dass es so immer schwieriger werde, tolle Fundstücke im Sinne von atmosphärischen Bildern aufzutreiben. In Amateurbildern, die von Smartphones aufgenommen werden, sahen die Anwesenden keine Konkurrenz auf dem Nachrichtenmarkt, da diesen in der Regel jegliche journalistische Substanz fehle. Trotz der Schwierigkeiten auf dem Zeitungs- und Magazinmarkt wollte diesbezüglich jedoch keine Trauerstimmung aufkommen. Die Orientierungsfunktion auf der einen Seite und die Möglichkeit gut recherchierte Hintergrundberichte zu liefern auf der anderen Seite, sei weiterhin die große Stärke der traditionellen Medien.

War was my playground

„Konfliktfotografie im Wandel“ war der Titel einer Diskussion am Samstag Nachmittag. Dort diskutierten die Fotografen Geert van Kesteren, Kai Wiedenhöfer und Patrick Baz sowie die Kuratorin Anna Shapkova über die Herausforderungen der fotojournalistischen Arbeit in Konflikten. Sehr schnell wurden vor allem die unterschiedlichen fotografischen Herangehensweisen der drei Fotojournalisten deutlich. Während Kai Wiedenhöfer heute ausschließlich konzeptionell arbeitet, macht Patrick Baz als Angestellter von AFP klassische Nachrichtenfotografie. Auch die Motivationen zur Arbeit als „Konfliktfotograf“ sind sehr unterschiedlich. Während es für van Kesteren vor allem um die menschliche Seite geht („I love people“), wuchs Patrick Baz im libanesischen Bürgerkrieg auf („War was my playground“). Wiedenhöfer hingegen wuchs in einem protestantisch geprägten Haushalt auf und wurde von der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sowie dem Fall der Berliner Mauer nachdrücklich geprägt. Kontrovers war die Diskussion hinsichtlich des Umgangs mit den Möglichkeiten digitaler Fotografie. Während Patrick Baz dafür plädierte, offen auch für neue Trends zu sein („We need to stick to the trend“) kritisierte Wiedenhöfer die Auswüchse digitaler Postproduktion am Beispiel des Gewinnerphotos des World Press Photo Award 2013. Baz argumentierte aus der Business Perspektive und zeigte sich auch Hipstamatic gegenüber aufgeschlossen. Wiedenhöfer hingegen forderte eine Orientierung an der „Realität“ um die Glaubwürdigkeit des Fotojournalismus nicht zu verspielen.

Reaching new audiences with crowdfunding

Der Montagnachmittag stand im Zeichen des Crowdfunding. Mathias Wahler von Reporter ohne Grenzen (ROG) stellte die Erfahrung der deutschen Sektion mit diesem Instrument vor. Eine Mitarbeiterin der deutschen Crowdfundingplattform Startnext erläuterte darüber hinaus die Prinzipien des Crowdfundig. Über Startnext haben ROG in diesem Jahr ihr Jahrbuch für die Pressefreiheit finanziert und über 8.000 Euro eingeworben. Klar wurde in der Diskussion, dass für ROG der Vorteil des Crowdfunding vor allem in der neuartigen PR für die eigene Arbeit liegt. So bot die Projektpräsentation auf Startnext die Möglichkeit, sowohl über den Produktionsprozess zu informieren als auch neue Unterstützer zu gewinnen. Nach Angaben von Wahler waren ca. 40% der Unterstützer auf Startnext vorher keine Unterstützer von ROG. Das Jahrbuch jedoch hätte auch ohne das Crowdfunding publiziert werden können. Interessant wäre es gewesen, Kai Wiedenhöfer zum Podium einzuladen der gerade ein Crowdfunding für sein Projekt Wall on Wall gestartet hat, jedoch auf der amerikanischen Plattform Kickstarter.

Citizen journalists or witnesses with a new tool?

Sowohl in der Diskussion über „Neue Medien und das Nachrichtenbussiness“ am Freitag als auch in der Veranstaltung über „Konfliktfotografie im Wandel“ am Samstag wurde das Spannungsverhältnis von journalistischer Konfliktfotografie und Citizen Journalism mit Smartphones angesprochen. Patrick Baz plädierte in der Diskussion vom Samstag dafür, nicht den Begriff Citizen Journalists zu verwenden sondern von „modern witnesses with a camera“ zu sprechen. Nicht das Konzept hätte sich geändert, sondern nur das Medium, so sein Tenor. Zeuge (witnesses) seien wichtig für das Nachrichtenbusiness, aber sie seien eben auch keine Journalisten. Am Freitag warnten die Teilnehmer auf dem Plenum junge Fotoreporter davor, ungeplant in die aktuellen Krisenregionen zu stürmen. Umgekehrt wurde beim Gespräch jedoch auch deutlich, wie eine gute fotografische Arbeit als Freelancer über die Agenturen auch den Weg in renommierte Publikationen finden und somit den Kick-Off für eine Karriere bedeuten kann.

Schade war, dass viele der Diskussionsveranstaltungen der Professional Week am Gleisdreieck eher mäßig besucht waren. Über die ReferentInnen und die an der Ausstellung teilnehmenden FotografInnen waren meist nur wenige Professionals im Raum. So war es weniger ein Treffen und Austausch auf professioneller Ebene, als ein öffentliches Forum zum Thema Dokumentarfotografie und Fotojournalismus. Dieser wiederum hätte mehr Publikum verdient. Dass die vielen jungen Fotografen und Fotostudierenden in Berlin nicht in größerer Zahl vertreten waren, verwundert doch sehr. Wie schon in Bezug auf die Ausstellung, ist vielleicht eine gute Devise für das kommende Jahr ein „weniger ist mehr“ mit einer Kondensierung des Programms auf zwei gut gefüllte Tage.


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1 Kommentar:

  1. Interessante Zusammenfassung der Veranstaltungen auf dem Festival. Es gibt einen guten überblick über aktuelle Fragen des Fotojournalismus.

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