Montag, 1. September 2014

Reflektionen über Bilder im Web 2.0


Die Erkenntnis, dass Bilder allgegenwärtig und ihre weltweite Verbreitung über das Internet ein Kinderspiel sind, dürfte an dieser Stelle wohl eher ein Allgemeinplatz sein. Angesichts der immer wiederkehrenden Debatten um die Macht der Bilder und deren mögliche Eindämmung, kann dies jedoch nicht oft genug ins Gedächtnis gerufen werden. Was jedoch zu Wünschen übrig lässt, ist eine Ausdifferenzierung der Debatte um Bilder im Internet hinsichtlich ihrer Gebrauchsformen sowie der Akteure, welche sie verbreiten. Dies gilt vor allem dann, wenn Bildern eine herausragende Bedeutung zukommt, wie z.B. bei gewalthaltigen Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen. Zuletzt war dies wieder einmal am Gaza-Krieg zu beobachten.

Bilder sind wie oben angedeutet, mannigfaltig. Sie sind in journalistischen Medien, in Magazinen und Blogs  zur Illustration, als politisches Statement und Beweise bei NGO’s, als Mobilisierungstool in Facebook und auf anderen Plattformen sowie zum rein privaten Nutzen in sozialen Netzwerken zu finden. Wichtig ist bei der Betrachtung und der Diskussion von Bildern, diese klar nach der Form ihrer Herstellung, ihrer Funktion sowie dem Kontext der Veröffentlichung zu unterscheiden. So ist eine Einteilung in verschiedene Kategorien wie privat, journalistisch, werblich und künstlerisch sicherlich hilfreich. Dabei ist zu beobachten, dass diese Grenzen natürlich immer wieder verschwinden. Die Frage nach der Funktion von Bildern und ihrer Herkunft ist vor allem dann hilfreich, wenn es um öffentlich brisante und vor allem konfliktträchtige Themen geht. So ist es bei der Beurteilung von Bildern von zentraler Bedeutung, ob es um Information und Dokumentation, um PR-Zwecke oder rein Privates geht.

Gefährlich ist es vor allem dann, wenn Bilder die in den Medien verwendet werden, nicht aus journalistischen Quellen, sondern aus sozialen Netzwerken im Web 2.0. stammen. Hier lässt sich in der Regel nicht überprüfen wer die Quelle eines Bildes ist. Durch wenige Klicks und Likes lassen sich Bilder im Web 2.0 massenhaft verbreiten und die Hemmschwelle Bilder einzustellen ist extrem niedrig. Dies kann natürlich auch mit gefälschten Bildern passieren. Insofern ist es wichtig, eine Unterscheidung zwischen diesen Bildern und jenen aus der fotojournalistischen Berichterstattung zu treffen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Darstellung von Kriegen und Konflikten geht.

So ist zum Beispiel die Motivation, die hinter dem Posten der Bilder bei Einzelpersonen steht meist nicht bekannt, es sein denn dass sie sich aus dem Kontext des Posts erschließt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es in der Regel eine völlig andere ist als diejenige professioneller, journalistischer Akteure. Bei privaten Posts kann die Motivation von reinem Interesse, dem Zeigen von Empörung bis hin zum bewussten Aufwiegeln und zur Stimmungsmache reichen. Vor allem letztere stellen dabei die Problembereiche dar. Denn dies sind Zwecke der Bildverbreitung, denen sich der Journalismus sogar entgegen stellen sollte.

Meiner Ansicht nach sind es nicht erst Fälle wie die Ausschreitungen um die Veröffentlichung der Mohammed-Karrikaturen oder den Anti-Muslim Film von Bacile die aufhorchen lassen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass wir es wohl mit klar orchestrierten Ereignissen zu tun haben. Oft aber sind im Web 2.0 Prozesse zu beobachten, die aus Unbedachtheit entstehen und die sich dann verselbstständigen. Hier stellt sich die Frage nach der Funktion von Bildern in sozialen Netzwerken. Es kann argumentiert werden, dass das Hochladen von Inhalten, von denen auszugehen ist, dass sie von anderen genauso gelesen werden, die Identität einer bestimmten Nutzergruppe in den sozialen Netzwerken stärkt. So bestätigen sich die Nutzer gegenseitig in ihren politischen Meinungen und spielen sich die Bälle zu.

Dies ist dann keine Form des Citizen Journalism sondern das private Nutzen von Kommunikationsmöglichkeiten die durch das Medium gleichzeitig öffentlich oder semi-öffenlicht werden. Soziale Netzwerke verleiten auch deswegen zu Fehlern, da für viele Nutzer nicht klar ist, wo die Grenzen des Privaten und Öffentlichen liegen. Twitter-Nachrichten die für den Austausch innerhalb der Community genutzt werden, werden durch das Retweeten möglicherweise öffentlich. Damit ist es oft unmöglich, die Folgen des eigenen Handelns abzuschätzen. Somit stellt sich die Frage, ob es mit einer reinen Netiquette getan ist oder die User generell nicht ein neues Bewusstsein über mögliche (nicht-intendierte) Konsequenzen des eigenen Handelns brauchen, somit größere Bild- und Medienkompetenz brauchen. Denn in der virtuellen Welt sind Fehler kaum wieder zu korrigieren. Dies würde jedoch bedeuten, Millionen von Nutzern in der konfliktsensitiven und achtsamen Nutzung sozialer Medien zu schulen. Dies ist sicherlich kein Prozess der von heute auf morgen geschehen kann. Er kann seinen Anfang jedoch in der intensiven Förderung von Medienkompetenz in Schule und Ausbildung nehmen.

Eine weitere und aus meiner Sicht tragfähigerer Ansatz für den Moment besteht darin, die klassischen journalistischen Medien als Korrektiv zu nutzen. Denn in der Regel ist in diesen journalistische Kompetenz gepaart mit gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein vorhanden. Aber auch dort muss in vielen Bereichen eine neue Art des Umgangs mit Bildern und Nachrichten, die aus den sozialen Netzwerken stammen, erst entstehen. Denn die zentrale Fragestellung, wie im Fall des Anti-Muslim auf Youtube ist, ob sie durch die Berichterstattung über das Ereignis nicht neues Öl ins Feuer gießen und die Aufmerksamkeit erst darauf lenken.

Vieles spricht meiner Meinung nach dafür – auch wenn dies im Hype um Neue Medien vielleicht konservativ klingen mag – weiterhin journalistische Medien mit der Auswahl und der Verbreitung von Nachrichten zu betrauen. Journalistische Medien verfügen in der Regel nicht über das Interesse an kurzfristiger Skandalisierung, ausgenommen vielleicht die Yellow-Press. Immerhin sind sie an Codes und Standesrichtlinien gebunden und es gibt Institutionen, die dies überwachen. Der Blogger oder private Facebook-, Flickr und Youtube-Nutzer muss in der Regel keine Konsequenzen für sein Posting fürchten, sofern ihm nicht strafrechtlich relevante Handlungen wie Völkerverhetzung nachgewiesen werden können. Der stete Fluss an Bildern ins und aus dem Netz wird sich damit jedoch auch nicht kontrollieren lassen. Aber vielleicht lassen sich negative Aspekte minimieren und Konflikte, die aus dem unbedachten Nutzen entstehen verhindern oder bewusste Provokationen abmildern.

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